The E-Bike

Ich hatte eine schwere Kindheit.
Na ja, nicht im klassischen Sinn. Als ich 10 Jahre alt war, sind meine Eltern aus einer Kleinstadt mitten in den Wald gezogen. Das erhöhte meinen Schulweg von kaum 600 m auf 7,314 km! Jeden Schultag bei jedem Wetter. Aus anderen, niederträchtigen Gründen war zudem das Austragen von Zeitungen nötig. Ein regulärer Schultag bestand also relativ vielen Fahrrad Strecken. Wartung und Minimierung der Reibung war also eine allgegenwärtige Aufgabe zu den Belanglosigkeiten der Fahrrad-Mode. Mal die 50er Jahre Rennmaschine, mal das Opa-Rad, mal das Bäcker-Burschen-Bike. Kurzum, das Leben war hart.

Die Kindheit im Wald hatte allerdings auch Annehmlichkeiten. Keine Nachbarn und keine Lärmempfindlichkeit. Mit 10 raus in die Wildnis. Irgendwo lag da ein verlassenes Moped im Wald und damit exponential steigendes Technik-Interesse. Wie geht das? Kriege ich das zum Laufen? Das ist der Bezug zu den niederträchtigen Gründen des Zeitungaustragens. Treibstoff und Ersatzteile. Bis zum legalen Mofa-Alter waren es noch unendliche fünf Jahre. Aber es kann ja nichts schaden, schon mal die grobe Funktionsweise eines Kreidler Zweitakters zu explorieren. Es folgte Heinkel Roller, NSU Lambretta, Garelli Kleinkraftrad, 250er BW Maico und mündete in einer legalen Kreidler Flory mit 15.

Bis dahin: Rad-Fahren. Mit 15 Mofa flog das Fahrrad in die Ecke der Verachtung. Mokick mit 16 – also 40 km/h in den Papieren – mit 18 Motorrad. Das Fahrrad fristete eine Phase relativer Ignoranz. Ausbildung, Beruf, Familie, Haus – erst recht spät ging es wieder auf das Rad. Zuerst etwas halbherzig. Zum Einkaufen oder in die Kneipe. Später dann durch die Entfernung ins Büro. Rund 6 km, das war eine angenehme Distanz mit viel Grün. Für meinen England-Job war das Fahrrad essentiell allerdings galt das auch für Dritte, die mir in England zwei Räder entwendet haben. Hoffentlich sind ihnen die Hände abgefault.

Bei rund 6-10.000 km im Jahr ist eigentlich alles schön. Aus heutiger Sicht hatte ich IMMER Gegenwind und es ging IMMER bergauf. So ab 2015 schaute ich mit steigendem Interesse auf Möglichkeiten, Fahrräder mit elektrischen Triebwerken zu kombinieren. Aus dem R/C Sport waren die Möglichkeiten bekannt. Auch das Thema Akku und Ladetechnik hatten keine Hürden errichtet. Gibt es alles. Nur war es eben doch immer mächtiges Gefummel und nicht richtig „rund“. Die Schwelle von Interesse zu alltagstauglich war zu holprig. Ab 2022 schaute ich mir kaufbare e-Bikes an. Die Artigkeiten der Hersteller in Bezug auf Zulassungsvorschriften und maßlose Übertreibungen der Marketing-Abteilungen ließen auch keine Kauflaune aufkommen.

2024 manifestierte sich eine Freizeit- und Urlaubsregion, die nicht umsonst als „Holsteinische SCHWEIZ“ benannt wird. Wenigstens im Hinblick auf die Steigungen stimmt das. Wir haben zwei konventionelle Fahrräder in gutem Wartungszustand. Wozu also etwas Neues kaufen, wenn man die bestehenden Räder aufrüsten kann?

Zunächst das Kerle-Fahrrad zum Test. Kriegt man die richtigen Komponenten selektiert, beschafft und passt das alles WIRKLICH?

Ein paar Komponenten waren durch die Zeit und die Laufleistung etwas verwittert und brauchten viel Aufmerksamkeit.

Als alles Wesentliche entfernt war, konnte die Beschaffung beginnen. Ich habe einen Anbieter entdeckt, der mit hinreichender Sicherheit kein Fake-Shop war und gleichzeitig eine Kundenkommunikation in der Komponenten-Komposition angeboten hat, die zu einem Warenkorb führte, bei dem ich keine Zweifel hatte – sofern die Produkt-Kommunikations-Mitarbeiter die Artikel richtig beschrieben hatten. Die Ware kam in erstaunlicher Geschwindigkeit. Picken, Packen, Versand, alles in einer Woche.

Angenehm war, dass alle Anleitungen online verfürbar waren und gut untereinander referenziert. Auf dem Hocker vor dem Rad, das Smartphone mit der aktuellen Anleitung daneben und die Montage konnte beginnen. Das Kerle-Rad zuerst, damit die Kerle-Rad-Fehler hinterher bei dem Weibs-Fahrrad vermieden werden.

To cut a long story short: Es war ein Genuss. Natürlich hab es ein paar Reihenfolge-Fehler und der Vorrat an Kabelbindern sollte großzügig sein. Was bei der Kerle-Lösung noch zwei Tage brauchte, war bei der Weibs-Lösung an einem Tag gemacht.

Aus heutiger Sicht hätte das alles schon viel früher passieren sollen. Der elektrische Rückenwind ist wirklich sehr angenehm. Aus heute noch zwei fossilen Kraftfahrzeugen wird in absehbarer Zeit ein elektrisches und eben die beiden E-Bikes für die Kurzstrecken. Ich betrachte das als Zugewinn an Lebensqualität und gelebte Nachhaltigkeit.

Nächstes Projekt: PV Ladetechnik.